Die einfachen Arbeiter, die im Bahnbetriebswerk, auf freier Strecke, überall, die öligen und verkohlten Dampflokomotiven betrieben. Bergleute, die sauber in den Schacht einfuhren und schmutzig wieder hochkamen, die sehend einfuhren und blind wieder hochkamen. Vater, der das Opernhaus mit einem Stollen vergleicht. Schwarz, dunkel und die Arbeiter holen zur Freude der Zuschauer die Kohle aus der Tiefe, die Gerda im Küchenofen verfeuert und jeden Morgen ihr Herz wärmt. Sie hält ihn sauber – auch für ihren Mann, hält sie alles sauber. Die Hemden für den fetten Braten, die Schürzen, die Haut. Der Mann badet gerne die Füße, nach dem Tag untertage, in Seifenbrühe und Gerda danach die Kinder darin.
Und am dritten Tag wärmt sie die Lauge wieder über dem Feuer, steht vor dem Kessel und walkt die weißen Stoffe in Vaters Fußbad. Deutsche Kernseife; und Gerda schrubbt ihr Leben in neue Bahnen. Sie badet nie.
Das Bad als weißer Raum begriffen. Als Ort, an dem Hemd, Haut und Haar wieder zu strahlen beginnen.
– Guten Abend, Entschuldigung, bitte nur eine Frage: Es ist heute Freitag, 18 Uhr 45, wird bei Ihnen heute gebadet?
– Ja.
– Sind sie grad dabei?
– Ja.
– Tatsächlich? Ist schon jemand im Bad?
– Ja.
– Wer badet denn gerade?
– Meine Tochter.
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– Mmh. Hier riecht’s schon so nach Badusan. Stimmt’s?
– Ja, es stimmt.
– Wird gebadet? In diesem Moment gerade?
– In diesem Moment.
– Wer badet denn jetzt?
– Mein Onkel badet.
– Der Onkel ... Äh, darf ich ihn mal was fragen? Nur so durch die Tür; ich halte mein Mikro nur mal so durch die Tür. Der Onkel badet. Guten Abend, bitte vielmals um Entschuldigung, wir machen nämlich eine Ermittlung. Man sagt am Freitagabend baden die meisten Leute und wir haben tatsächlich festgetsellt, so isses. Und der Onkel badet auch. Badet der Onkel immer am Freitag?
– Meistens am Freitag, manchmal auch am Donnerstag.
– Achso, und heute nun ham wer Glück gehabt, dass wir Sie am Freitag erwischt haben. Und warum baden Sie so an festgelegten Tagen?
– Naja, man möchte ... ich will mal so sagen, um den Staub der Woche ...
– ... dürfen wir mal reingucken?
– ... den Staub der Woche runterspülen und sauber ins Wochenende gehen.
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– Ist das in Ihrer Familie so üblich?
– Dass am Freitag gebadet wird? Selbstverständlich.
– Ob ich mal ...? Och naja, er ist ja noch nicht in der Wanne. Hallo, guten Abend, warum wird bei Ihnen am Freitag gebadet? Das ist unsere Frage, dürfen wir mal.
– ... fürs Wochenende sauberhalten.
– Kommen Sie doch mal zu uns, kommen Sie durch.
... Wäsche gewechselt.
– Ja.
– Sie haben das Bad schon eingelassen.
– Ja.
– In welcher Reihenfolge baden Sie denn immer?
– Kinder, Frauen, Mann zuletzt.
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– Wer ist denn da drin? Sag mal, wer ist denn da jetzt im Badezimmer?
– ...
– Bitte?
– Christin.
– Christin? Christin, bist du schon fertig, Christin?
– ...
– Ja? Guten Abend, Christin! Wie wars denn im Bad?
– Ach, schön.
– Ja?
– Hab mich gewaschen.
– Fein, ja, und immer am Freitag?
– Ja.
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– Guten Abend, entschuldigen Sie bitte, weil heute Freitagabend ist, wollten wir mal fragen, ob bei Ihenn auch bebadet wird.
– Ja.
– Ja? In diesem Moment? Wir haben nämlich auch gesehen, dass im Badezimmer Licht brennt. Immer am Freitag?
– Immer am Freitag
– Die ganze Familie?
– Ja, höchstens, wenn irgendwas besonderes vor ist, dann verschieben wir es.
– Herr Klaus? Hallo? Wir sind vom Fernsehen, darf ich mal ein ganz klein bisschen aufmachen, nur ein bisschen nur so, dass ich Ihre Stimme höre? Herr Klaus, sind sie in der Badewanne?
– Ja.
– Wie isses denn da drin?
– Nu ja, ganz schön.
– Herr Klaus, dürfen wer mal reingucken? Ach, Herr Klaus, ich bitte vielmals um Entschuldigung, wir sehen ja nichts weiter, nicht wahr. Aber bei Ihnen wird immer am Freitagabend gebadet?
– So isses, ja.
– Und sie sind gerade bei der Kopfwäsche. Baden Sie immer heiß, sehr heiß?
– Ne, es geht eigentlich.
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– Weil doch heute Freitag ist, wollten wir fragen, ob bei Ihnen gebadet wird.
– Ja, das wird’s.
– Das ist der günstigste Tag, irgendwie bietet sich das an.
– Aha. So, in der ganzen Familie? Kinder und so, bestimmte Reihenfolge festgelegt?
– Die Tochter fängt an, die ist da drin
– Die ist da drin? Ob man sie mal sprechen kann?
– Oh Gott ...
– Durch die Tür.
– Durch die Tür?
– Wie alt ist sie denn?
– Sechzehn
– Sechzehn ... Oh, ich guck also überhaupt ... ganz woanders hin. Wie heißt sie denn?
– Uta
– Uta, ist es schön im Bad? Ich duck mich mal, weißt du, damit wir hier drüber gucken können. Uta, badest du an jedem Freitag um diese Zeit?
– Manchmal auch Sonnabends.
– Und immer mit Musik.
– Ja, meistens.
– Nu, ganz toll. Wie lange badest denn immer?
– Ne halbe Stunde.
– Eine halbe Stunde? Das ist aber lange ... So, und wie ist denn das Wasser? Schön warm? Richtig heiß?
– Ne, heiß nicht.
– Was machst denn sonst noch im Bad? Lieste auch?
– Ne, mach ich nicht.
– Ne. Gut, Uta bade schön weiter, vielen Dank, dass wir mal reingucken durften. So, und ich wünsche auch der Familie noch frohes Bad und ein schönes Wochenende.
aus: Außenseiter-Spitzenreiter, DFF, 23.12.1976